Von der Frage „Warum?“
„Chester von Linkin Park hat sich das Leben genommen“ – diese Nachricht ist für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ungläubig höre ich mir die Sprachnachricht meines besten Freundes wieder und wieder an. ‚Das kann nicht wahr sein!‘ schießt es durch meinen Kopf. Unweigerlich schießen mir die Tränen in die Augen und ich kann mich nur schwer wieder beruhigen. Ein Blick in die Google News verrät mir, dass diese Nachricht noch nicht von offizieller Seite bestätigt wurde. ‚Vor einem knappen Monat habe ich Linkin Park noch live gesehen‘ denke ich betrübt. ‚War dies das letzte Mal?‘
Seit meinem 13. Lebensjahr höre ich Linkin Park, deren Musik in dieser Zeit zu einem sehr großen Teil meines Lebens geworden ist. Als wäre es gestern gewesen erinnere ich mich daran, dass mir meine damalige beste Freundin eine gebrannte Version von „Meteora“ gegeben hat. Anfangs wollte ich mir die Band lediglich anhören, weil ich ein männliches Wesen beeindrucken wollte. Was soll ich sagen, bei der Musik bin ich geblieben – bis heute.
Im Laufe der Jahre sollten noch viele weitere Alben folgen, die mich alle auf ihre Weise beeindruckten. Linkin Park zähle ich bis heute zu meinen liebsten Bands. Zusammen mit Fury in the Slaughterhouse, Staind und Five Finger Death Punch. Aber durch Linkin Park, bzw. meine damalige beste Freundin, bin ich zur Rockmusik bzw. Nu Metal gekommen – und höre diese Musik bis heute mit wachsender Begeisterung.
Als die CD „One More Light“ pünktlich zu meinem diesjährigen Geburtstag geliefert wurde, war das mein schönstes Geburtstagsgeschenk. Innerhalb von kürzester Zeit hatte ich die CD angehört, man könnte fast sagen verschlungen. Auch wenn die musikalische Veränderung von Linkin Park ständig diskutiert wurde in den sozialen Medien – für mich waren sie immer unverwechselbar, allein schon durch Chesters Stimme.
Für mich stellte sich nicht die Frage ob ich zu deren einzigen Deutschlandkonzert fahre, ich bestellte mir eine Karte, organisierte mir ein Hotelzimmer, kümmerte mich um die Anreise und fuhr nach Berlin. Dieses Konzert war mit Abstand das Tollste, das ich bis jetzt erleben durfte – und ich habe viele tolle Konzerte erlebt. Aber eine Band live zu erleben deren Musik einen schon so lange im Leben begleitet und immer wieder berührt ist etwas ganz Besonderes. Und genau das war Chester immer für mich – etwas Besonderes. Sein Charisma und sein Humor den er immer wieder in Interviews unter Beweis stellte und seine unverwechselbare Stimme machten ihn für mich zu einem absolut tollen Frontmann und Sänger, jemand an den man sich gerne erinnert. Bodenständig, ein Star zum Anfassen.
Auf diesem Konzert in Berlin hatte ich außerdem das große Glück zwei tolle Menschen kennenlernen zu dürfen, die neben mir saßen. Dafür bin ich extrem dankbar.
Ein Bekannter, der u.a. bei einem Webradio moderiert, startete eine Tribute-Sendung für Chester, die mich unglaublich dankbar macht. Dankbar dafür, dass ich die Zeit habe zuzuhören. Dankbar, dass ich diese Band live sehen durfte. Dankbar, dass die Musik uns geblieben ist. Dankbar für alle Erinnerungen die ich mit der Band verknüpfe. Dankbar für all die tollen Menschen in meinem Leben. Dankbar, dass mein Leben weitergehen darf.
Aber auch heute, zwei Tage nach dieser furchtbaren Tragödie, ist das alles so unreal. Was passiert jetzt mit dem Rest der Band? Wird es Linkin Park weiterhin geben?
Du lebst in unseren Herzen weiter. Danke für die tolle Musik die du uns geschenkt und hinterlassen hast.
Die Meldungen in den Nachrichtenagenturen überschlagen sich, alle berichten. ‚Bis eben war es doch ein richtig guter Tag! Wie kann eine einzige schlechte Nachricht plötzlich alles auf den Kopf stellen?!‘ Im Laufe des Abends schreiben mir fünf weitere Personen, zusätzlich zu meinem besten Freund, zu dem Thema. Alle sind traurig und betroffen. Bis Mike Shinoda die Nachricht offiziell bestätigt hoffe ich, dass alles nur ein ganz schlechter Scherz ist. ‚It’s true‘ schreibt er auf Twitter – verdammt. Wieder kann ich meine Tränen nicht zurückhalten, bin wie in Trance. Eine Zeit lang sitze ich auf dem Boden in meiner Wohnung, überlege sogar ein paar Termine am nächsten Tag abzusagen weil ich mich emotional einfach nicht in der Lage fühle mit dem Auto unterwegs zu sein.
Erinnern kann ich mich nicht, dass mich jemals der Tod eines bekannten Menschen so sehr mitgenommen hat. Bei Bud Spencer und Robin Williams war ich auch betroffen und traurig, aber das war für mich insofern ein Unterschied, da die beiden wesentlich älter waren. Mit 41 hat man noch so viel vor sich. Ich denke aber auch nicht, dass jemand von außerhalb das in irgendeiner Weise nachvollziehen kann was in einem anderen Menschen vorgeht. Schon gar nicht in jemandem, der es als sinnvoller empfindet sein Leben zu beenden. Was bleibt ist die Frage nach dem ‚Warum?‘
In einem Kommentar lese ich, dass jemand meint Chester könne kein guter Vater sein wenn er seine sechs Kinder alleine lässt. Selbstmord sei feige. In einem anderen Kommentar lese ich, dass Selbstmord nicht feige sei sondern unheimlich viel Mut erfordere. Sowas unnötiges! Das ganze Thema wühlt mich so sehr auf, dass ich mich für den Rest des Abends komplett von Facebook fernhalte.
Das Ganze macht mich auch insofern betroffen, weil ich selbst auch schon wegen Depressionen in Therapie war. Chesters Selbstmord hat mir wieder vor Augen geführt, wie endlich das Leben sein kann und wie wichtig es ist sich Hilfe zu holen, niemals aufzugeben und sich selbst immer wieder an die positiven Dinge in seinem Leben zu erinnern.
Meine Mission hier ist noch nicht beendet, ich werde hier geliebt und gebraucht. Das Leben ist schön.
Solltet ihr selbst betroffen sein oder jemanden kennen der an Depressionen leidet und/oder Selbstmordgedanken hat, schaut bitte nicht weg. Ihr seid nicht allein!